Gemeinsamer Antrag von SPD, FWW und ALW wird von CDU mit Extremisten gleichgesetzt
Vor einigen Wochen brannte das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos nieder. Einige wenige Einzeltäter machten damit tausende Menschen, darunter viele Familien mit Kindern, zu Beginn der kalten Jahreszeit obdachlos.
Aufgrund der katastrophalen Verhältnisse vor Ort wandte sich Pfarrer Hartmut Stiller im September hilfesuchend an das Stadtparlament. Die SPD-Fraktion griff die Initiative auf und fragte kurzfristig zu Beginn der Stadtverordnetenversammlung im September bei den anderen drei Fraktionen FWW, ALW und CDU an, ob sie einen symbolischen Antrag unterstützen würden. Da die CDU nicht mitmachen wollte, stellte man die Idee zunächst zurück.
Zur Sitzung des Sozial- und Kulturausschusses im Oktober 2020 stellten die drei Fraktionen SPD, FWW und ALW dann einen gemeinsamen Antrag, der Hilfsbereitschaft für und Solidarität mit den Menschen aus Moria zum Ausdruck bringen sollte. Der Landkreis und andere Kommunen hatten dies bereits getan. Neben der Hilfsbereitschaft Weiterstadts, fordert der Antrag, dass die Regierungen der EU-Staaten gemeinsam ihrer Verantwortung für diese Menschen gerecht werden und zusammen für Richtlinien einer europäischen Migrations- und Flüchtlingspolitik zu sorgen.
Obwohl die CDU bei dem Antrag nicht mitmachen wollte, brachte sie dann aber im Ausschuss für Soziales und Kultur einen Änderungsantrag ein, der inhaltlich das Gleiche wollte, aber voller juristischer Spitzfindigkeiten war, die hier nicht angebracht waren. „Wir wollten schnell und unbürokratisch unsere Solidarität bekunden“, so Lukas Harnischfeger (Stellvertretender Fraktionsvorsitzender SPD) „und waren schon sehr verwundert, dass gerade die Partei, die sich der christlichen Nächstenliebe verschrieben hat, daraus so einen Verwaltungsakt machen will. Zumal die Bundesregierung ja bereits die Aufnahme von Flüchtlingen in geregelter Zahl zugesagt hatte.“
Keine der beteiligten Fraktionen beabsichtigte mit diesem Hilfssignal wieder wochenlang Turnhallen oder Bürgerhäuser zu schließen. Das ist nicht nötig, denn es gibt genug Kapazitäten in den Gemeinschaftsunterkünften, die nach der Situation 2015 auch in Weiterstadt geschaffen wurden. „Im Endeffekt ist so wie so der Kreis für die Zuweisung von Asylsuchenden zuständig“, erläutert Kathrin Keil (Geschäftsführerin SPD Fraktion). Den beteiligten Fraktionen ging es um ein deutliches Signal der Hilfsbereitschaft und ein Symbol der Solidarität und es wäre im Sinne der Sache gewesen, wenn alle vier Fraktionen einen gemeinsamen Antrag gestellt und verabschiedet hätte.
In der Oktobersitzung der Stadtverordnetenversammlung bei der es erneut die Gelegenheit gab als Stadtparlament mit einer Stimme zu sprechen, zog es der Fraktionsvorsitzende der CDU Lutz Köhler aber vor, die anderen drei Fraktionen mit Extremisten in einen Topf zu werfen. CDU-Mann Köhler störte sich an der Formulierung im Antrag „Die Stadt Weiterstadt erklärt sich bereit, Flüchtlinge aus Moria aufzunehmen und Bestrebungen zu unterstützen, ihnen ein rechtsstaatliches Asylverfahren in Deutschland zu gewährleisten.“ Seiner Ansicht nach suggeriere man damit, dass es in Deutschland keine rechtsstaatlichen Verfahren gäbe und man solche Aussagen sonst aus dem Mund von Extremisten höre.
„Diese unfassbare Entgleisung noch dazu bei einem so sensiblen Thema ist das eine, das andere ist aber, das bewusste Fehlinterpretieren und Umdeuten von Aussagen“, kritisiert der Vorsitzende des Sozialausschusses Andreas Enzmann. Schon in der Antragsbegründung erklärte Lukas Harnischfeger, wer im Kern Adressat der politischen Botschaft war: „Wir sind bereit, Flüchtlinge aufzunehmen und ihnen ein faires Asylverfahren zu garantieren. Dies kann allerdings in dieser Form nur ein einmaliger Vorgang sein. Die Mitgliedstaaten der EU sind in der Pflicht, eine Lösung für die Asylpolitik zu finden. Aus diesem Grund stehen wir zwar auf der einen Seite dazu, bei der Beseitigung der schwierigen Situation in Moria zu helfen, erwarten aber andererseits, dass für die Zukunft klare Verfahren und Zuständigkeiten festgelegt werden, damit Situationen wie in Moria gar nicht erst entstehen.“
Seit Jahren schon zeigt sich die EU beim Umgang mit Hilfesuchenden nicht von ihrer besten Seite und manche Länder bieten aus politisch-ideologischen Gründen Asylsuchenden eben keine fairen, rechtsstaatlichen Asylverfahren. Genau das sollte mit dem Antragstext zum Ausdruck gebracht und für die Entwicklung von Lösungen appelliert werden.
„Wir als SPD Stadtverordnete – und sicherlich auch die Stadtverordneten der anderen Fraktionen – lassen uns nicht nachsagen, dass wir an der Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik zweifeln. Wir verbitten uns, eine Solidaritätsbekundung mit Flüchtenden mit Aussagen von Extremisten zu vergleichen,“ protestiert Bernd Neumann (Vorsitzender SPD Weiterstadt) nachdrücklich.