Für das Frauenwahlrecht hatten sich in Deutschland und natürlich vielen anderen Ländern sehr viele Frauen (und Männer) in einem Jahrzehnte währenden politischen Kampf eingesetzt. Im Gegensatz zu z.B. Großbritannien, wo es teilweise zu Zusammenstößen protestierender Frauen mit (männlichen) Polizisten kam, verliefen die Auseinandersetzungen in Deutschland über dieses wichtige Thema jedoch vergleichsweise friedlich.

 

Mit der Einführung des Frauenwahlrechts Ende 1918 (1919 konnte es dann praktisch genutzt werden) zeigte sich Deutschland im übrigen im internationalen Vergleich außerordentlich progressiv. Zwar war Deutschland nicht das erste Land, welches das Frauenwahlrecht einführte, aber die USA (1920), Großbritannien (1928; 1918 wurde dort nur ein stark eingeschränktes Frauenwahlrecht eingeführt, welches die Frauen weiter massiv benachteiligte) oder auch Frankreich (erst 1944) oder die Schweiz (erst 1971!), folgten zum Teil wesentlich später. Da diese Länder eine längere demokratische und parlamentarische Tradition hatten, bleibt dies ein durchaus bemerkenswerter historischer Sachverhalt. Früher als Deutschland bei der Einführung des Frauenwahlrechts waren einige skandinavischen Länder sowie Australien (1902) und Neuseeland (1893).

Die SPD gewann die Wahl am 19.1.1919; sie wurde mit rund 38% (37,9%) der Stimmen die mit Abstand stärkste Partei. In der „Weimarer Nationalversammlung“ konnte mit den Stimmen der SPD, welche verschiedene Akzente setzen konnte, die Verfassung („Weimarer Verfassung“) verabschiedet werden. Diese Verfassung genießt bis heute einen (zu unrecht) schlechten Ruf, weil die „Weimarer Republik“ meistens immer nur vor dem Hintergrund ihres Scheiterns beurteilt wird und zudem auf verschiedene Konstruktionsfehler in der Verfassung verwiesen wird.

 

Dabei geriet jedoch völlig in Vergessenheit, dass die „Weimarer Verfassung“ die Verfassung mit den größten demokratischen Partizipationsrechten war, welche jemals in Deutschland Geltung hatte und außerdem dem Grundgesetz in vielen Aspekten als Vorbild diente, wenn sie auch in einigen Punkten abgeändert wurde.

 

Die Bürger der „Weimarer Republik“ hatten zum Beispiel das Recht, ihr Staatsoberhaupt (Reichspräsident statt Bundespräsident) direkt zu wählen. Zudem gab es auf Reichsebene die Möglichkeit direkter Volksabstimmungen. Beide demokratischen Partizipationsmöglichkeiten sind den Bürgern/innen der Bundesrepublik Deutschland bis heute nicht gegeben.

 

Diese Rechte wurden seitens der Bürger/innen jedoch dazu genutzt, z.B. 1925 Paul von Hindenburg zum Reichspräsidenten zu wählen, welcher schließlich am 30.1.1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannte. Die direkten Volksabstimmungen nutzte die NSDAP oftmals erfolgreich zur Instrumentalisierung ihrer Ziele und für ihre Agitation gegen die Demokratie und gegen die Republik. Antidemokratische Kräfte nutzten also diese demokratischen Rechte für ihre Zwecke und viele Bürger/innen stärkten diese Kräfte in demokratischen Wahlen bzw. Volksabstimmungen.

Auch die Frauen wählten überwiegend 1919 wahrscheinlich keineswegs jene Parteien, welche sich für ihr Wahlrecht stark gemacht hatten. Zwar gibt es für die Wahl 1919 keine gesicherten statistischen Erhebungen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die SPD 1919 ohne Frauenwahlrecht noch besser abgeschnitten hätte. Das schlechte Verhältnis der damaligen SPD zu den großen Kirchen und die enge Bindung vieler Frauen an die Kirchen mag hierfür ein wesentlicher Grund gewesen sein. Im Verlauf der Jahrzehnte änderte sich jedoch das Wahlverhalten der Frauen deutlich: Während die SPD in den 50er-Jahren – aus ähnlichen Gründen – von Frauen unterdurchschnittlich gewählt wurde, so stieg ihr Stimmenanteil bei der weiblichen Bevölkerung vor allem seit den 60er-Jahren kontinuierlich an. Bei der Bundestagswahl 2002 schließlich hätte die SPD ohne die Frauen deutlich verloren und Edmund Stoiber wäre mit einer sicheren Mehrheit Bundeskanzler einer CDU/CSU/FDP-Koalition geworden.

 

An dieser Stelle sollte nicht vergessen werden, dass es heute scheinbar selbstverständlich ist, dass Frauen wählen dürfen. Bis 1918/1919 war es jedoch scheinbar genauso selbstverständlich, dass die Hälfte der Bevölkerung keine Stimme hat. Der Weltfrauentag ist ein guter Anlass, daran zu erinnern, dass das Frauenwahlrecht hart erkämpft wurde.